10 Forderungen für neuen Schwung in der Energiewende

Beschlussorgan: Landevorstand der SPD Mecklenburg-Vorpommern
Beschlossen am: 30. November 2018
Antragstitel: 10 Forderungen für neuen Schwung in der Energiewende


Die Passagen zur Energie- und Klimaschutzpolitik im auf Bundesebene geschlossenen Koalitionsvertrag bilden einen guten, akzeptablen Kompromiss der Klima- und energiepolitisch unterschiedlich ambitionierten Koalitionspartner. Nunmehr gilt es allerdings, dass SPD-Bundestagsfraktion und Bundesvorstand die Kompromissinhalte – bei denen sich die SPD an verschiedenen Stellen noch ambitioniertere und innovativere Ziele gewünscht hätte – mit großem Engagement umsetzen, soweit SPD-geführte Ministerien berührt sind, und mit engagiertem Nachdruck einfordern, soweit unionsgeführte Ministerien in der Umsetzungsverantwortung stehen. Dabei geht es um kurzfristige Umsetzungen, damit Klimaschutz und Energiewende zügig vorangetrieben werden und bereits zu den nächsten Wahlen vorzeigbare Erfolge präsentiert werden können.


Selbstredend gibt es über den Koalitionsvertrag hinausgehende Ziele, die wir politisch für notwendig ansehen. Voraussetzung dafür ist, jetzt als ersten Schritt die im Koalitionsvertrag vereinbarten Schritte zur Erreichung der 55-prozentigen CO2-Reduzierung und des 65-prozentigen Erneuerbaren Energien-Anteils an der Stromerzeugung schnell umzusetzen.
Nicht nur für Mecklenburg-Vorpommern sind hierbei vor allem die nachstehenden Punkte besonders bedeutsam:

  1. 65 Prozent Erneuerbare Energien an der Stromerzeugung bis 2030: Das vereinbarte Ziel von 65 Prozent bedarf der sofortigen Umsetzung in neu zu definierende Ausbauziele. Diese sind konkret auf die kommenden Jahresscheiben hinsichtlich der auszuschreibenden Mengen zu verteilen und bereits jetzt in die Infrastruktur-Ausbaupläne aufzunehmen. Hierzu gehört auch die schnelle Anpassung des regulatorischen Rahmens für ein nationales Offshore-Testfeld, um die große industriepolitische Chance der Energiewende für die bundesdeutsche Industrie zu nutzen.
  2. Ausbau und Modernisierung der Energienetze: Die Energiewende wird nur gelingen, wenn die Digitalisierung der Netze auf allen Netzebenen konsequent vorangetrieben wird. Dies muss ein wesentlicher Bestandteil des angekündigten Maßnahmenplans zur Optimierung der Bestandsnetze und zum schnelleren Ausbau der Stromnetze sein. Ein solcher Maßnahmenplan muss zudem Anreizsysteme und Sanktionen für die Einhaltung darin festzusetzender Zeitpläne mit konkreten Zwischenzielen enthalten.
    Zudem bedarf es kurzfristig eines Planungsbeschleunigungs-Gesetzes für den Maßnahmenplan, das die Erfahrungen anderer Beschleunigungsgesetze aufgreift und für den Netzausbau bündelt. Ein solcher Maßnahmenplan wird nur dann ungeteilte Akzeptanz erreichen, wenn er auch die uneingeschränkte solidarische Umlegung der Netzentgelte auf alle beteiligten Ebenen sichert.
  3. Akzeptanz stärken durch Beteiligung: Eine wirtschaftliche Beteiligung der Standortgemeinden von Erzeugungsanlagen Erneuerbarer Energien sowie von Bürgerinnen und Bürgern und eine praxisgerechte Umsetzung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Mieterstrommodelle durch steuerrechtliche Begleitgesetzgebung zur Erhaltung der gewerbesteuerlichen Behandlung von Wohnungsunternehmen stärken die Akzeptanz der Menschen für die Energiewende. Teilhabe an der regionalen Wertschöpfung und praktisch gelebte Beteiligung sind
    notwendig für das Gelingen der Energiewende.
  4. Kopplung der Sektoren Wärme, Mobilität und Elektrizität in Verbindung mit Speichertechnologien voranbringen: Es bedarf der kurzfristigen Schaffung einer Experimentierklausel in den betroffenen Gesetzen, um Strom auch in den Bereichen Wärme und Mobilität in verschiedenen technischen Pilotanwendungen einzusetzen statt ihn temporär abzuregeln. Hierfür sollten 100 Pilotprojekte ermöglicht werden, für die Ausnahmen von engen gesetzlichen Restriktionen ermöglicht werden, um dann die leistungsfähigsten, praktikabelsten und günstigsten, das Stromnetz entlastenden technischen Lösungen herauszufiltern. Dabei kommt Wasserstoffanwendungen eine besondere Bedeutung zu. Insbesondere sollte eine Experimentierklausel die Nutzung bislang abzuregelnden Stroms in einer zu bestimmenden Anzahl von Testfällen zulassen, sofern dabei das öffentliche Stromnetz nicht genutzt wird. Ein wesentliches Ziel nach der Experimentierphase sollte ein Speichergesetz sein. Ergänzend muss parallel Vorsorge für ausreichende Transport- und Speicherkapazitäten im Erdgasnetz getroffen werden, unter anderem  durch eine Vorbereitung der rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen für die verstärkte Beimischung von Wasserstoff ins Erdgasnetz.
  5. Chancengleichheit für die Erneuerbaren Energien und CO2-Transparenz: Es bedarf schneller Prüfergebnisse und Vorschläge, wie die unterschiedlichen öffentlich-rechtlich veranlassten Belastungen gespeicherter Energie vereinheitlicht und damit fairer werden können. Die erforderliche Ermittlung der anpassungsrelevanten Schritte ist unverzüglich zu beauftragen. Damit werden Speicher die Möglichkeit bekommen, mehrere Dienstleistungen zugleich und bedarfsgerecht zu erbringen, ohne finanzielle Fehlsteuerung. Parallel bedarf es der Weiterentwicklung eines sozial verträglichen CO2-Bepreisungssystems.
  6. Energieeffizienz und -einsparung: Für die Zusammenführung der EnEV, des EnergiesparG und des EEWärmeG in einem einheitlichen und modernen Gebäudeenergiegesetz ist unverzüglich das Gesetzgebungsverfahren zu beginnen. Parallel muss die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung gesetzgeberisch vorangetrieben werden. Dabei ist ein Wahlrecht zwischen einer Zuschussförderung und einer Reduzierung des zu versteuernden Einkommens vorzusehen.
  7. Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ („Kohle-Kommission“): Für die von einem bevorstehenden Ende der Kohleverstromung betroffenen Regionen ist schnell Klarheit über Hilfen und Unterstützung im erforderlichen Strukturwandel zu schaffen. Deshalb muss die WSB-Kommission kurzfristig mit konkreten ambitionierten Zeitplänen  und Strukturhilfen zu einem Abschluss gebracht werden.
  8. Bioenergie: Bioenergie ist als Ergänzung eine wichtige Erneuerbare Stütze. Bioenergie trägt zur Erreichung der Klimaziele im Energie- und im Verkehrssektor bei. Ihr Bestand muss daher im Zuge der Ausschreibungen unter kluger Berücksichtigung des Landschaftsschutzes, einer gesamtheitlichen Betrachtung der Anlage und ihrer Nebenanlagen und der Biodiversität weiterentwickelt werden.
  9. Forschung und Entwicklung: Es bedarf einer forcierten staatlichen Forschungs- und Entwicklungsförderung bis hin zur Marktreife für die Nutzung von Wasserstoff, Brennstoffzellen und Methan(ol)isierung als netzstabilisierende und sektorenkoppelnde Beiträge zur Energiewende. Ein Teil dieser Forschung sollte auch die wissenschaftliche Durchdringung und Bewertung des Einsatzes von Negativ-Emissions-Technologien sein.
  10. 55 Prozent CO2 Reduzierung bis 2030: Es bedarf rascher Planungssicherheit für alle weiteren gesellschaftlichen Schritte. Deshalb muss 2019 eine verbindliche gesetzliche Regelung über den spezifischen Klimaschutzbeitrag der verschiedenen betroffenen Sektoren erfolgen, also für Industrie, Landwirtschaft, Energiewirtschaft und Verkehr, mit Zwischenzielen bis 2025. Zugleich sind die Ziele für 2030 fortzuschreiben. Zeitnah nach der gesetzgeberischen Festlegung in 2019 sind noch in dieser Legislatur konkrete Maßnahmen- und Umsetzungspläne vorzulegen, die geeignet sind, das Klimaschutzziel von Paris von maximal 2 Grad Erwärmung zu erreichen.